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Über das Abtauchen…

Binge-Watching oder die akzeptierte Form der Freizeit-Depression

Per se gibt es keine unattraktivere psychische Erkrankung als die Depression. Wenn schon, dann bitte eine in Hollywoodfilmen so häufig vorkommende bipolare Störung mit exkzessiven manischen highs, in denen man viel zu schnell Auto fährt oder sündhaft teure Klamotten kauft, glückselige actionreiche mutige Phasen gefolgt von einem extremen Absturz und einem Retter in der Not .

Oder eine richtig schön abgedrehte paranoid halluzinatorische Schizophrenie, wo keiner so genau weiß , was jetzt echt ist und man sich ein bisschen gruselt.

Auch beliebt die glorifizierten wunderschönen Protagonisten die ballerinagleich durch eine lebensgefährliche Essstörung tanzen. Sucht sowieso in allen Varianten, versteht ja jeder irgendwie und neuerdings auch stark im kommen Autismus – kluge Jugendliche die sich mit ausschweifenden Kenntnissen über Pinguine und andere Randthemen emotional unzulänglich durch die Pubertät bringen.

Sogar aus Alzheimer und Demenz lassen sich tragische oskargekrönte Filme machen. Alles besser zu bebildern als einfach stumpf, bei der Depression passiert einfach zu wenig. Klar wird das auch gezeigt aber immer nur im Kontrast zu einem extremen Gegenpart. 90 min nur nichts, wer will das sehen.

Und dennoch ist die Auseinandersetzung mit einer Depression sehr populär. Auch aus rein volkswirtschaftlichen Gründen und weil naja jeder in irgendeiner Weise schonmal mies drauf war. Und das ist es doch – ein bisschen oder viel schlimmer als mies drauf sein.

Sogar Therapeuten fühlen die Last einer Stunde mit depressiven Patienten am Abend und legen sich zu vorgerückter Stunde dann lieber einen expressiven manipulativen Boderliner, der richtig Energie mitbringt in den Terminplan.

Tatsächlich aber kommen alle genannten Störungen minimalst verbreitet in der Gesellschaft vor. Depression, wenn auch nicht in der klinischen Form, ist allerdings zur Volkskrankheit geworden. Und eben weil stumpf irgendwo rumsitzen, unproduktiv sein und zurückgezogen so gegen alles spricht was aktuell en modern zu sein scheint- online, expressiv, produktiv, schöpferisch, kreativ, bleibt die Depression meist unbehandelt und stigmatisiert. Und irgendwo rumsitzen vor einem Medium und nur da sein, fällt auch viel weniger auf als früher, als man sich draußen im Leben, in der U-Bahn, beim Sport oder im Büro, noch mit anderen Menschen unterhalten musste.

An dieser Stelle möchte ich bewusst einordnen, das dies natürlich kein Fachartikel ist und sich explizit nicht an Personen richtet, die an einer akuten klinischen Depression leiden. Nach wie vor ist eine klinische Depression eine schwere Erkrankung und die häufigste Ursache für Suizid und darf in keiner Weise bagatellisiert werden.

Dennoch ist die Diagnose Depression die meist missbrauchte oder auch undefinierte Diagnose die es gibt. Sie kommt in Anpassungsstörungen auf veränderte Lebenssituationen, in Krisen, beim Burn oder Bore out, als Begleitung chronischer Krankheiten, bei Demenz im Alter und in vielen weiteren Ausprägungen immer häufiger vor bzw. wird immer häufiger als Diagnose gestellt. Und auch wenn wir weit von amerikanischen Zuständen entfernt sind und die psychopharmakologie Meilensteine in den letzten 30 Jahren vollbracht hat, so ziemlich bei jedem irgendwann mal vor. Ist also eine leichte Depression Ausdruck unserer Zeit? Kennt nicht jeder jemandem der schon irgendwann mal irgendwie damit zu tun hatte? Und taucht diese kollektive Verstimmung heute nicht schichtübergreifend auf und ist nicht wie früh Existenzislisten. Philophen und anderen großen Zeitgeistes vorbehalten

Was mich antreibt ist ein Diskurs über eine Verhaltensweise, die sich in der Gesellschaft manifestiert und Symptome einer Depression aufweist.

Geschrieben ist sowieso so gut wie alles schon darüber. Warum also dieses Thema? Warum nichts weniger problematisches und weniger komplexes.

Nun ja, ich ich möchte auf dieser Seite Themen ansprechen, die mich aktuell umtreiben und vorerst keinem Diktat einer Struktur oder Mission der Seite erliegen.

Das Thema treibt mich und ist persönlich für mich, denn seit je her habe ich Probleme mit dem Aushalten und Verarbeiten von Gefühlen. Und dabei stören mich weniger die vereinzelten Ausraster der Impulskontrolle, die ich mir selbst eben auch als Eckentrik meiner Person gestatte, sondern die zunehmendem Formen des Abtauchens und nichts Fühlens, was sich deutlich bedrohlicher anfühlt.

Also weg von mir – Was ist mit den vielen schleichenden Formen, des Abtauchens,Ausblendens, binge- watchens, sich dem Diktat des durch deklinierten Alltags entziehen. Betäuben oder einfach sowieso betäubt sein. In gewissem Maße ist das sicher heilsam, und, nicht der Geisel zu verfallen, jeden auch noch so kleinen timeslot achtsam zu nutzen, zu entspannen oder zu reflektieren, an sich auch wertvoll.

Ich persönlich halte sehr viel vom Zeit verschwenden. Natürlich mit Schuldgefühlen, anders kann man das ja heute gar nicht mehr vertreten. Allerdings wieviel betäuben ist noch gesund ? Oder wenn wir davon ausgehen, dass der Maßstab gesund hier zum einen indivividuell, situativ und lebensphasenabhängig stark variiert. ab welcher Dosis berauben wir uns unsere eigenen Lebensqualität und —Vielfalt?

Nie war es so einfach und verlockend sich zu betäubend. Der Verdacht wächst, dass heute weniger bei der Anzahl der Alkoholeinheiten pro Woche (a la Bridget Jones diaries), als bei der vor Netflix und Konsorten verbrachten Bildschirmstunden, gelogen wird.

Die Anzahl der Welten in die man sich per Klick transportieren kann ist grenzenlos, die eigene Phantasie wird träge und manchmal muss man gar nicht richtig zugucken, Hauptsache jemand redet und der Ton läuft. Wie in Trance auf nächste Folge klicken. Seit ein paar Monaten zeigt Apple erschreckenderweise die am Bildschirmzeit verbachte Zeit pro Tag und Medium an.

Da man apple sicherlich an dieser Stelle keine paradoxe therapeutische Intervention unterstellen kann, sollte man sich mit der verstörenden Frage auseinander setzen, wann man denn eigentlich gelebt hat in der Zwischenzeit.

Naheliegend und sicher korrekt wäre hier von Sucht zu sprechen, aber als Person, die immer wieder damit zu kämpfen hat die eigenen Gefühle nicht zu spüren kann ich nur sagen: hierin liegt meiner Meinung nach die eigentliche Gefahr.

Ich erinnere mich noch genau daran, dass als vor sieben Jahren mein Partner überraschend an Krebs starb und ich im Nachgang.eine Therapie machte und zum ersten Mal mit dem Thema konfroniert wurde. Bzw. mir selber auffiel, dass es konstruktivere Wege der Bewältigung geben muss. Eine Freundin hatte mir zur Ablenkung ein paar Serien empfohlen, die man kostenlos im Internet streamen konnte. Und so lag ich im Hochsommer im Bett und guckte eine Serie nach der anderen und ließ die Welt draußen draußen sein und fühlte so auch keine Trauer.Bis es eben Zeit war wieder aufzutauchen.

Was aber wenn das Leben nicht einfacher, die Anzahl der möglichen Fluchten immer attraktiver und das Auftauchen immer schwieriger und sinnloser wird.

Was für eine Art leben wollen wir führen? Womit können und wollen wir es füllen? Wieviel Gefühle halten wir aus und wer hilft uns wieder aufzutauchen ?

Fragen mit denen ich mich in den nächsten Monaten auseinandersetzen möchte.

To be continued,Work in Progress

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